Wer Knöllchen aus dem Ausland zahlen muss

    Melde dich doch ganz einfach, schnell und kostenlos an. Anschließend stehen dir alle Funktionen im Forum zur Verfügung.

    • Wer Knöllchen aus dem Ausland zahlen muss

      Für deutsche Falschparker in anderen EU-Ländern bleiben Strafzettel ohne Folgen. Ab Oktober soll sich das grundlegend ändern - eigentlich. Denn ein kurioser Rechtsstreit vor dem Finanzgericht Hamburg offenbart Schlupflöcher.

      Der Fall beginnt in der Marxergasse. Wahlweise auch in der Hetzgasse, der Wittelbachstraße oder auf dem Fleischmarkt. Alles beginnt eben an einem der zig Orte in Wien, an denen ein deutscher Student das Auto seines Vaters während einer Reise gern mal "wie Sau parkt". Das ist ein Zitat, und es stammt von Klaus Friedrich. Friedrich ist der Anwalt des Studenten. Oder genauer, der Anwalt seines Vaters. Und Friedrich hat etwas geschafft, das eigentlich nur schwer vorstellbar ist: Vor dem Hamburger Finanzgericht drückte er vor Kurzem durch, dass keiner der zehn Strafzettel bezahlt werden muss, die der Student während seiner Tour in Österreich sammelte. Summe: 350 Euro.

      "Es ist das erste Mal, dass ein Gericht in dieser Sache entschieden hat", sagt Friedrich, wenn er von dem Knöllchenfall erzählt. Stolz klingt er dabei. Denn das Hamburger Finanzgericht (FG) fand, der Strafzettel müsse nicht bezahlt werden, obwohl es seit zwölf Jahren ein Vollstreckungsabkommen zwischen beiden Ländern gibt. Beim Eintreiben von Geldstrafen greifen sich Behörden unter die Arme, heißt es sinngemäß in diesen Verträgen. Wer also in Land A erwischt wird, muss auch in Land B zahlen. Bisher funktionierte das reibungslos. Nicht zulässig sei das Ganze aber, urteilte das FG jetzt, wenn der Beschuldigte dabei um sein Schweigerecht gebracht werde (Az.: 1 V 289/09).

      Was sich nach einem recht speziellen Einzelfall anhört, wird bald in ganz Europa von Bedeutung sein. Ab Oktober sollen nämlich nicht mehr nur Strafzettel aus Österreich, sondern aus ganz Europa weiterverfolgt werden können. Dann setzt Deutschland einen entsprechenden Beschluss der EU um: Knöllchen dürfen aus allen 27 Mitgliedsländern vollstreckt werden - vorausgesetzt, es geht um mehr als 70 Euro. Das Strafgeld darf der Staat behalten, der es eingetrieben hat.

      Mit Ausnahme von Österreich gab es das bisher in Deutschland nicht. Wer etwa aus Italien, Spanien oder Polen einen Strafzettel mitbrachte, musste nicht mit Verfolgung durch zu Hilfe gerufene deutsche Behörden rechnen. Die geplante Harmonisierung ist jetzt allerdings durch den Hamburger Richterspruch in Gefahr. "Der Sachverhalt gilt wohl bald für Strafzettel aus allen EU-Ländern", sagt Paul Kuhn, Verkehrsanwalt beim ADAC.

      Ins Rollen kam alles durch eine Gesetzeslücke. Als die Strafzettel ihren Weg von Wien nach Hamburg fanden, wehrte sich der Vater des Studenten nicht etwa gegen die Forderung an sich. Da er nicht selbst am Steuer saß, verweigerte er der Wiener Behörde jedoch kurzerhand Auskunft darüber, wer das Auto stattdessen gleich mehrfach im Parkverbot abgestellt hatte. Das ist zulässig, denn in Deutschland gilt ein Zeugnisverweigerungsrecht. Familienangehörige müssen nicht belastet werden, steht in der Strafprozessordnung. Hätte der Fall also hierzulande gespielt, wäre die Geschichte damit erledigt gewesen. Die Behörden hätten die Verweigerung akzeptieren müssen und den Vater allenfalls zwingen können, künftig ein Fahrtenbuch zu führen.

      In Österreich funktioniert das anders: Wer dort die Aussage über den Fahrer verweigert, muss ein Bußgeld zahlen. Und das forderte der Wiener Magistrat auch mit Unterstützung deutscher Finanzbehörden vom Vater des Falschparkers. Die verunsicherten deutschen Beamten, die eigentlich zur Vollstreckung angewiesen sind, schickten nach schriftlichen Ermahnungen bald den Gerichtsvollzieher. Und das war der Moment, als Anwalt Friedrich klagte.

      Er zog zunächst vor das Verwaltungsgericht - eigentlich die richtige Anlaufstelle. Doch hier wussten die Richter nicht wirklich etwas mit der Materie anzufangen und verwiesen weiter an das Finanzgericht, das sich sonst um Steuerstreitfälle kümmert. Auch nicht unbedingt die richtige Adresse. "Nach dem Verweis mussten wir das zwangsläufig bearbeiten. Bürger sollen schließlich nicht darunter leiden, dass Verfahren wahllos zwischen Gerichten hin und her geschoben werden", sagt Christoph Schoenfeld, Sprecher des Finanzgerichts. "Tatsächlich handelt es sich um einen kuriosen Fall."

      In seinem Beschluss entschied das Gericht, dass die Vollstreckung des österreichischen Bescheids in Deutschland gegen die Verfassung verstoße und deshalb unzulässig sei. Denn der Betroffene sollte nur dafür sanktioniert werden, dass er als Halter des Fahrzeugs keine Auskunft über Namen und Anschrift der Person gegeben habe, der er sein Auto zu überlassen habe. Das verstoße gegen das Verbot des Zwangs zur Selbstbezichtigung und gegen das Schweigerecht des Betroffenen.

      Dieses Schlupfloch wird es weiterhin geben. "Der EU-Rahmenbeschluss sieht in diesem Fall ausdrücklich vor, dass nationale Regeln Vorrang haben", sagt Kuhn. Und das gilt auch für das Schweigerecht.


      Quelle: capital.de
    • Was der Artikel aber wieder nicht klärt ist; Was passiert, wenn der Vater nach Österreich einreist und in eine Fahrzeug Kontrolle gerät?

      Müssen sich die Österreicher dann an den Richterspruch in Deutschland halten, oder ist für sie der Fall immer noch offen.

      Könnte man dann vor den Europäischen Gerichtshof ziehen, weil ja quasi die Freizügigkeit eingeschränkt wird, wenn man trotz Freispruchs doch noch belangt wird.

      Wie ist das überhaupt in Europa? Kann man für das gleiche Delikt in mehreren Ländern auch mehrmals bestraft werden, oder vor Gericht kommen?

      Gruß
      Andi
      Wer sich über das freut, was er hat, hat keine Zeit mehr, über das zu klagen, was er nicht hat. Ernst Ferstl