Hab ich's also endlich geschafft, meinem Freundlichen mal eine 1200er GS aus den Rippen zu betteln, als „Ersatzfahrzeug“ während der 80.000 km – Inspektion meiner K 1100 RS; die zweite GS-Fahrt meines Lebens. Die erste fand 1997 statt, in Hemd und Stoffhose, ohne Helm, weil ein damaliger Freund mich zum Motorradfahren überreden wollte. Die erste Fahrt begann mit einem Wheelie, und endete wenige Sekunden später mit einem wie durch ein Wunder unverletzt gebliebenen, unter der GS liegenden Kroni, der jedoch keinerlei Lust mehr auf GS und Motorradffahren überhaupt hatte. Zehn Jahre später, nach einem Jahr K 75 RT und einem Jahr K 1100 RS kann man's ja nochmal probieren. Und dieses sind meine Erlebnisse von dem zwoten Versuch:
Als erstes muß man eine 12er GS mal erklimmen, und dafür muß man – erst recht, wenn die Koffer montiert sind – das Bein ganz schön hoch schwingen, denn man sitzt enorm hoch über der Strasse, vor allem, wenn man den Sporttourer gewohnt ist. Meine langen Beine, die mir auf der RS so manches Problemchen bereitet haben, reichen hier gerade noch, um einen sicheren Stand zu haben. Vor mir bäumt sich ein Ungetüm von Tankverkleidung auf, eine Segelstange von Lenker, und gaanz weit da vorne, in der Gegend des Horizontes, finden sich Tacho, Drehzahlmesser und das unvermeidlich gewordene Mäusekino. Also lustig den Seitenständer eingeklappt, und den Boxer angeworfen – die Armaturen sind für jeden BMW-Fahrer geläufig, und vermitteln ein erstes Gefühl von zuhause. Die ersten Gasstöße im Leerlauf vermitteln indessen ein erstes Gefühl von Respekt. Die Fuhre nickt leicht nach rechts, und signalisiert, daß mit dem Boxer, der immerhin um die 100 PS stemmt, nicht zu spassen ist. Man stelle sich nur den Hubraum vor: ein Weißbierglas, komplett mit Schaum – und das auf jeder Seite !
Das Anfahren ergibt sich fast von selbst, und kann zur Not auch in Leerlaufdrehzahl erfolgen, der Boxer ist sofort da. Die Füße finden verhältnismässig tief unten Platz, in angenehm entspannten Kniewinkel. Anders als bei der K, wo man ein mächtiges Trumm an Eisen zwischen den Füssen hat, befindet sich zwischen den Fersen auf der GS nur noch ein Hauch von nichts mit ein paar Rahmenstreben – alles ist anders, aber gut: die ideale Fußrastenposition mit den Ballen auf den Rasten kommt fast von alleine zustande, und ist sehr lange durchzuhalten. Ein Verzicht auf die Fußrastengummis bringt sicher nochmals 1 – 1,5 cm Platz, für ganz besonders Kniebeplagte oder Langbeinige.
Die Segelstange ist sehr gewöhnungsbedürftig. Man fühlt sich an die Schulzeit errinnert, als man im Sportunterricht diese unsinnige Reckstange genau so vor einem aufwölbte, und aus dem Hintergrund die unsinnigen Kommandos eines grenzdebilen Sportlehrers tönten. Einstweilen tönt aber nur der Boxer.
Um es vorwegzunehmen – der 1200er Boxer ist es nicht, der mich an der GS fasziniert, nicht wirklich. Ok, die hundert PS und über 100 Nm liefert er zuverlässig ab, aber auf eine nur mittelmässig kultivierte Art und Weise. Aus dem Keller dreht er zwar zügig hoch, aber mit deutlichen Lauten des Unwillens, die um so deutlicher werden, je höher der eingelegte Gang ist. Mit richtig warmgefahrenen Motor werden sie dann wieder etwas dezenter, aber das zieht sich so seine 50 km. In der Mitte ist der Boxer kräftig, hat ein erstes Optimum so zwischen 3 und 4000 upm, aber irgendwo um die 5000 upm gibt es mal wieder eine Art Delle in der Drehmomentkurve. Über 6000 upm legt er dann nochmal tüchtig zu. Alles in allem reicht der Durchzug Dicke für einen standesgemässen Auftritt – doch wenn man den samtweichen Antritt der K gewohnt ist, rümpft sich das Näschen des Kroni's auf der Erbse doch ein wenig. Dieser Drehmomentverlauf nötigt auch zu recht häufigen Schaltvorgängen – insbesondere im Geschwindigkeitsbereich zwischen 80 und 100 km flippt man ständig zwischen drittem und vierten Gang – aber daran gewöhnt man sich sicher irgendwann, und findet seinen Rhythmus, um den Boxer bei Laune zu halten. Wirklich kein schlechter Motor, aber für eine „eins“ will es bei mir nicht reichen. Erstaunlich übrigens ist sein Temperaturhaushalt, der auch auf längeren Steigungsstrecken und im Stadtverkehr sehr ausgeglichen blieb, wenn man der Digitalanzeige und meinen Fingerspitzen bei den Pausen Glauben schenken will.
Die Kupplung ist eine vorbildliche Zeigefinger-Angelegenheit, das Getriebe BMW-typisch. Die relativ enge Abstufung der sechs Gänge kommt dem leicht unharmonischen Drehmomentverlauf entgegen, man findet für jede Gelegenheit einen passenden Gang. Der aktuelle Kardan mit dem obenliegenden Paralever verrichtet seine Arbeit nach meinem Gefühl besser, als der alte – aber dennoch empfiehlt es sich, beim Lastwechseln sehr gefühlvoll mit Kupplung und Gasgriff zu agieren, sonst boxt es eben.
Die „eins“ hat sich aber der Wind- und Wetterschutz verdient. Obwohl es bald anfängt, in Strömen zu giessen, bekomme ich unterhalb der Schultern kaum etwas ab. Die ebenso merkwürdig geformte, wie effektive Verkleidungsscheibe, die gewaltige Tankverkleidung und letztlich die wuchtigen Zylinderköpfe führen den Luftstrom (teils angewärmt) um den Fahrer herum – schon ab führerscheinkompatibler Stadtverkehrsgeschwindigkeit tritt die aerodynamische Umleitung für Wassertropfen in Kraft, um sich schon bei mässigem Landstrassentempo voll zu entfalten. Das ist phänomenal, wenn man bedenkt, daß man auf der GS klassisch aufrecht sitzt, wie der Husarenleutnant auf den Befreiungskriegs-Denkmalen von 1813. An diese Sitzposition muß man sich auch erst mal gewöhnen, denn sie entkoppelt den Oberkörper vom Motorrad, und man fühlt sich irgendwo verloren so hoch oben, erst recht bei höheren Geschwindigkeiten wünscht man sich ein lauschiges Plätzchen am Tankende, aber daraus wird nichts. Zudem lastet der gesamte Oberkörper auf einer vergleichsweise kleinen Fläche am Ende des Popometers, die genau dann anfängt, über Blutarmut zu klagen, wenn der Boxer richtig warmgefahren ist. Meine richtige Sitzposition habe ich jedenfalls bis jetzt nicht gefunden, was aber wiederrum nichts heissen mag. Bei dem 11er Ziegelstein hat es ja auch ein paar Monate gedauert. Und eine etwas kompfortablere Sitzbank würde sicherlich auch Abhilfe schaffen, zumal die Stöße von unten auf diese Weise direkt in die Wirbelsäule geleitet werden.
Das kommt aber verdammt selten vor, daß von unten etwas stößt, womit wir schließlich zu der Eigenschaft der GS kommen, der sie mit größter Wahrscheinlichkeit ihren ungeheueren Erfolg verdankt: das Fahrwerk, und das ist eine Wucht, die man erlebt haben muß ! Wie auf einer Sänfte federt das Fahrwerk alle Schlaglöcher, Gullideckel, Bordsteinkanten und was da sonst noch ruckelt und buckelt, einfach so weg – für lange Touren und schlechten Strassenbelag einfach ideal. Selbst ein Bahnübergang in Schräglage ist kein Problem.
Denn: Was man dem Telelever-Fahrwerk stets vorgeworfen hat: es liefere nicht die Rückmeldung von der Strasse, die man doch benötige, um richtig Motorrad fahren zu können - das ist einerseits richtig: was da unten so passiert, kann man nur aus der Beobachtung der alsbald unter dem mächtigen Vorbau verschwindenden Strassendecke und der Arbeit der Gabeltauchrohre erahnen – andererseits: brauchen tut man es (bei auch nur halbwegs zivilisierter Fahrweise) nicht mehr. Es gibt nichts, über dessen Rückmeldung man sich irgendwelche Gedanken machen müsste, solange man die GS über den Asphalt bewegt.
Anfangs war ich natürlich nur sehr verhalten unterwegs – logisch: fremdes, neues Moped mit beängstigendem Neupreis, anderer Motor, dazu der Regen und der Wind (der übrigens von der Seite kaum Angriffsflächen findet), man tastet sich eben langsam ran. Auch mit der Segelstange muß man erst einmal umgehen lernen. Man fährt anders mit der GS durch die Kurve, als mit dem Sporttourer, bei der sich die Armbewegungen meist auf minimale Stoß- und Zugbewegungen am Lenker beschränken. Bei der GS hingegen empfiehlt sich nach meiner ersten Fahrerfahrung der Fahrstil, den man ja nicht umsonst auch den „Enduro-Fahrstil“ nennt: um die Kurve legt man sich nicht, sondern man drückt das Moped; mich erinnert das Kurvenfahren mit der GS an die Ruderbewegungen der Kanuten (was keine geheimnisumwitterten Druiden aus dem Asterixheft sind, sondern Kajak-Fahrer im Plural). Zumindest im Stadtverkehr, bei mässiger Geschwindigkeit und im engen Geläuf ist es die Methode der Wahl, mit dem Oberkörper fast in der Vertikalen zu bleiben, und das Gerät unter sich mit der Segelstange und den Knien hin und her zu schwenken, was auf Anhieb erstaunlich leicht und zielsicher von sich geht. Erst bei höheren Geschwindigkeiten mischt sich das klassische In-die-Kurve-legen wieder in das Drücken hinein. Bei niedrigeren Geschwindigkeiten wird man dagegen leicht kippelig, wenn man sich legt – der Oberkörper findet eben zuwenig Halt, solange er sich nicht an die Fliehkraft anlehnen kann. Eigentlich logisch – oder ?
Hat man diesen Bogen erst mal raus, dann kracht es auf der GS und zwar gewaltig. Mit unerhörter Präzision flitzt das Moped, daß sich beim Fahren im Vergleich zur K federleicht anfühlt, um die Ecken und durch die Winkel – über das, was es überfährt, braucht man sich kaum noch Gedanken zu machen. Selbst ein Bitumenlängsstreifen auf triefnasser Fahrbahn, den ich zu Testzwecken todesmutig – wenn auch nur mit ca. 60 kmh - in leichter Schräglage (des Mopeds) überfahren habe, hatte gegen dieses Fahrwerk, das mir übrigens auf gut eingerittenen Michelin Anaké serviert wurde, keine Chance ! Nur vor Rollsplitt in der Kurve habe ich gekniffen, aber wenn mir jemand erzählen würde, daß eine 12er GS selbst Rollsplitt nichts ausmacht – ich würde es ihm glauben. Auf einer meiner Hausstrecken (für Eingeweihte: Von Schmalkalden über Christes nach Schwarza), die auf einer engen Buckelpiste in Schlangenlinien durch den Wald führt, bin ich mit dieser Fahrmaschine im strömenden Regen schneller unterwegs gewesen, als mit der K 1100 RS im Trockenen ! Schließlich war auch der Motor (und das Getriebe) warmgelaufen, ich hatte mich an die Bedienung gewöhnt, und auch an das Kajak-Ruder mit Gas und Kupplung – war mutiger geworden. Jetzt verstehe ich, warum die GS als der Angstgegner im engen Geläuf zählt, die Referenz in den meisten Testberichten ist. Auch in weiteren Bögen dürfte diese Kurvenperformance nur noch durch wenige zu toppen sein. Selbst ein eher unterdurchschnittlicher Fahrer wie Kroni verwandelt sich in einen wahren Kurventeufel auf diesem Bock ! Damit wurde es auch erklärlich, daß die Verbrauchsanzeige im Mäusekino, die ich genullt hatte, von rund 5 l zu Beginn der Fahrt auf 5,4 l am Ende der Fahrt hochgeklettert ist. Dementsprechend waren auch die Bremsen gegen Tourende öfters in Gebrauch – des Regens wegen habe ich es mir verkniffen, in Kurven stärker zu Bremsen oder das ABS bis in den Regelbereich zwingen zu wollen, giftiger als die der K 1100 RS sind sie jedenfalls. Da die Erstzulassung meiner Leih-GS vom März 2007 stammt, ist mir jedenfalls dieser unsägliche Bremskraftverstärker erspart geblieben.
Und was gibt es sonst noch ?
Die 12er GS ist ein vor dem Fahrer versammeltes Moped. Unter ihm befindet sich nur noch das Getriebeausgangsgelenk des Kardans, neben dem bei der Fahrt die Fußknöchel ruhen, dahinter kommt nur noch der Hilfsrahmen für die Sitzbank und die Schwinge – eine luftige Angelegenheit, die wenig seitlichen Windwiderstand bietet, weswegen die GS ein hervorragendes „Sturmmotorrad“ ist, wie schon erwähnt. Leitungen und Anschlüsse liegen offen, alles macht einen soliden, transparenten und wartungsfreundlichen Eindruck. Bis in Kleinigkeiten wirkt alles ansprechend verarbeitet und arrangiert. Nichts hat man einfach so dahin gemacht oder improvisiert, alles sieht wohldurchdacht aus und passt zueinander. Ein Motorrad aus einem Guß. Man kann es durchaus geniessen, ein Kippchen unterwegs zu schmauchen, und diesem schönen Stück Fahrzeugbau seine ästhetische Referenz zu erweisen, die sich aber wirklich erst auf 2 Schritt Distanz erschließt. Von weiter weg wirkt das Ganze doch ziemlich plump – aber schließlich wollten wir ja ein Motorrad Probefahren, und keine Wohnzimmerdekoration testen. Von den – vom Freundlichen vorsichtshalber als Sturzschadenminimierungsmaßnahme montierten – Koffern kann ich nur äusserlich berichten, daß sie eine schön ebene Oberfläche haben – ideal für weitere Beladungen.
Und wenn ich gefragt werde: Un' ? - Habenwollen ?
Ja und nein. „Ja!“ sagt zu mir das Faszinosum dieser Fahrmaschine, die dem mittelmässigen Kroni noch mehr Gelegenheiten gibt, die Pistensau zu spielen – und „Nein!“ sagt genau deswegen auch mein Verstand. „Nein!“ sagt der auch zur elektronischen Überfrachtung des Geräts. Und wenn solche Elektronik in die Jahre kommt, da kann einem was Blühen – fragt nur mal den Besitzer eines 10 Jahre alten 7er-BMWs danach ! „Ja!“ sagt der gute Wind- und Wetterschutz – ein gutes Wintermoped wäre die 12er GS in jedem Falle. „Nein!“ sagt der für meinen verwöhnten Ziegelstein-Geschmack doch etwas ruppige Motor, und „Nein, Nein, Nein – niemals nicht!“ brüllt auch der Anschaffungspreis, der sich für einen Appetitthappen wie den Gast in meiner Garage auf locker 15.000 (Nichtziegel-)steine aufaddiert.
Gruß
Als erstes muß man eine 12er GS mal erklimmen, und dafür muß man – erst recht, wenn die Koffer montiert sind – das Bein ganz schön hoch schwingen, denn man sitzt enorm hoch über der Strasse, vor allem, wenn man den Sporttourer gewohnt ist. Meine langen Beine, die mir auf der RS so manches Problemchen bereitet haben, reichen hier gerade noch, um einen sicheren Stand zu haben. Vor mir bäumt sich ein Ungetüm von Tankverkleidung auf, eine Segelstange von Lenker, und gaanz weit da vorne, in der Gegend des Horizontes, finden sich Tacho, Drehzahlmesser und das unvermeidlich gewordene Mäusekino. Also lustig den Seitenständer eingeklappt, und den Boxer angeworfen – die Armaturen sind für jeden BMW-Fahrer geläufig, und vermitteln ein erstes Gefühl von zuhause. Die ersten Gasstöße im Leerlauf vermitteln indessen ein erstes Gefühl von Respekt. Die Fuhre nickt leicht nach rechts, und signalisiert, daß mit dem Boxer, der immerhin um die 100 PS stemmt, nicht zu spassen ist. Man stelle sich nur den Hubraum vor: ein Weißbierglas, komplett mit Schaum – und das auf jeder Seite !
Das Anfahren ergibt sich fast von selbst, und kann zur Not auch in Leerlaufdrehzahl erfolgen, der Boxer ist sofort da. Die Füße finden verhältnismässig tief unten Platz, in angenehm entspannten Kniewinkel. Anders als bei der K, wo man ein mächtiges Trumm an Eisen zwischen den Füssen hat, befindet sich zwischen den Fersen auf der GS nur noch ein Hauch von nichts mit ein paar Rahmenstreben – alles ist anders, aber gut: die ideale Fußrastenposition mit den Ballen auf den Rasten kommt fast von alleine zustande, und ist sehr lange durchzuhalten. Ein Verzicht auf die Fußrastengummis bringt sicher nochmals 1 – 1,5 cm Platz, für ganz besonders Kniebeplagte oder Langbeinige.
Die Segelstange ist sehr gewöhnungsbedürftig. Man fühlt sich an die Schulzeit errinnert, als man im Sportunterricht diese unsinnige Reckstange genau so vor einem aufwölbte, und aus dem Hintergrund die unsinnigen Kommandos eines grenzdebilen Sportlehrers tönten. Einstweilen tönt aber nur der Boxer.
Um es vorwegzunehmen – der 1200er Boxer ist es nicht, der mich an der GS fasziniert, nicht wirklich. Ok, die hundert PS und über 100 Nm liefert er zuverlässig ab, aber auf eine nur mittelmässig kultivierte Art und Weise. Aus dem Keller dreht er zwar zügig hoch, aber mit deutlichen Lauten des Unwillens, die um so deutlicher werden, je höher der eingelegte Gang ist. Mit richtig warmgefahrenen Motor werden sie dann wieder etwas dezenter, aber das zieht sich so seine 50 km. In der Mitte ist der Boxer kräftig, hat ein erstes Optimum so zwischen 3 und 4000 upm, aber irgendwo um die 5000 upm gibt es mal wieder eine Art Delle in der Drehmomentkurve. Über 6000 upm legt er dann nochmal tüchtig zu. Alles in allem reicht der Durchzug Dicke für einen standesgemässen Auftritt – doch wenn man den samtweichen Antritt der K gewohnt ist, rümpft sich das Näschen des Kroni's auf der Erbse doch ein wenig. Dieser Drehmomentverlauf nötigt auch zu recht häufigen Schaltvorgängen – insbesondere im Geschwindigkeitsbereich zwischen 80 und 100 km flippt man ständig zwischen drittem und vierten Gang – aber daran gewöhnt man sich sicher irgendwann, und findet seinen Rhythmus, um den Boxer bei Laune zu halten. Wirklich kein schlechter Motor, aber für eine „eins“ will es bei mir nicht reichen. Erstaunlich übrigens ist sein Temperaturhaushalt, der auch auf längeren Steigungsstrecken und im Stadtverkehr sehr ausgeglichen blieb, wenn man der Digitalanzeige und meinen Fingerspitzen bei den Pausen Glauben schenken will.
Die Kupplung ist eine vorbildliche Zeigefinger-Angelegenheit, das Getriebe BMW-typisch. Die relativ enge Abstufung der sechs Gänge kommt dem leicht unharmonischen Drehmomentverlauf entgegen, man findet für jede Gelegenheit einen passenden Gang. Der aktuelle Kardan mit dem obenliegenden Paralever verrichtet seine Arbeit nach meinem Gefühl besser, als der alte – aber dennoch empfiehlt es sich, beim Lastwechseln sehr gefühlvoll mit Kupplung und Gasgriff zu agieren, sonst boxt es eben.
Die „eins“ hat sich aber der Wind- und Wetterschutz verdient. Obwohl es bald anfängt, in Strömen zu giessen, bekomme ich unterhalb der Schultern kaum etwas ab. Die ebenso merkwürdig geformte, wie effektive Verkleidungsscheibe, die gewaltige Tankverkleidung und letztlich die wuchtigen Zylinderköpfe führen den Luftstrom (teils angewärmt) um den Fahrer herum – schon ab führerscheinkompatibler Stadtverkehrsgeschwindigkeit tritt die aerodynamische Umleitung für Wassertropfen in Kraft, um sich schon bei mässigem Landstrassentempo voll zu entfalten. Das ist phänomenal, wenn man bedenkt, daß man auf der GS klassisch aufrecht sitzt, wie der Husarenleutnant auf den Befreiungskriegs-Denkmalen von 1813. An diese Sitzposition muß man sich auch erst mal gewöhnen, denn sie entkoppelt den Oberkörper vom Motorrad, und man fühlt sich irgendwo verloren so hoch oben, erst recht bei höheren Geschwindigkeiten wünscht man sich ein lauschiges Plätzchen am Tankende, aber daraus wird nichts. Zudem lastet der gesamte Oberkörper auf einer vergleichsweise kleinen Fläche am Ende des Popometers, die genau dann anfängt, über Blutarmut zu klagen, wenn der Boxer richtig warmgefahren ist. Meine richtige Sitzposition habe ich jedenfalls bis jetzt nicht gefunden, was aber wiederrum nichts heissen mag. Bei dem 11er Ziegelstein hat es ja auch ein paar Monate gedauert. Und eine etwas kompfortablere Sitzbank würde sicherlich auch Abhilfe schaffen, zumal die Stöße von unten auf diese Weise direkt in die Wirbelsäule geleitet werden.
Das kommt aber verdammt selten vor, daß von unten etwas stößt, womit wir schließlich zu der Eigenschaft der GS kommen, der sie mit größter Wahrscheinlichkeit ihren ungeheueren Erfolg verdankt: das Fahrwerk, und das ist eine Wucht, die man erlebt haben muß ! Wie auf einer Sänfte federt das Fahrwerk alle Schlaglöcher, Gullideckel, Bordsteinkanten und was da sonst noch ruckelt und buckelt, einfach so weg – für lange Touren und schlechten Strassenbelag einfach ideal. Selbst ein Bahnübergang in Schräglage ist kein Problem.
Denn: Was man dem Telelever-Fahrwerk stets vorgeworfen hat: es liefere nicht die Rückmeldung von der Strasse, die man doch benötige, um richtig Motorrad fahren zu können - das ist einerseits richtig: was da unten so passiert, kann man nur aus der Beobachtung der alsbald unter dem mächtigen Vorbau verschwindenden Strassendecke und der Arbeit der Gabeltauchrohre erahnen – andererseits: brauchen tut man es (bei auch nur halbwegs zivilisierter Fahrweise) nicht mehr. Es gibt nichts, über dessen Rückmeldung man sich irgendwelche Gedanken machen müsste, solange man die GS über den Asphalt bewegt.
Anfangs war ich natürlich nur sehr verhalten unterwegs – logisch: fremdes, neues Moped mit beängstigendem Neupreis, anderer Motor, dazu der Regen und der Wind (der übrigens von der Seite kaum Angriffsflächen findet), man tastet sich eben langsam ran. Auch mit der Segelstange muß man erst einmal umgehen lernen. Man fährt anders mit der GS durch die Kurve, als mit dem Sporttourer, bei der sich die Armbewegungen meist auf minimale Stoß- und Zugbewegungen am Lenker beschränken. Bei der GS hingegen empfiehlt sich nach meiner ersten Fahrerfahrung der Fahrstil, den man ja nicht umsonst auch den „Enduro-Fahrstil“ nennt: um die Kurve legt man sich nicht, sondern man drückt das Moped; mich erinnert das Kurvenfahren mit der GS an die Ruderbewegungen der Kanuten (was keine geheimnisumwitterten Druiden aus dem Asterixheft sind, sondern Kajak-Fahrer im Plural). Zumindest im Stadtverkehr, bei mässiger Geschwindigkeit und im engen Geläuf ist es die Methode der Wahl, mit dem Oberkörper fast in der Vertikalen zu bleiben, und das Gerät unter sich mit der Segelstange und den Knien hin und her zu schwenken, was auf Anhieb erstaunlich leicht und zielsicher von sich geht. Erst bei höheren Geschwindigkeiten mischt sich das klassische In-die-Kurve-legen wieder in das Drücken hinein. Bei niedrigeren Geschwindigkeiten wird man dagegen leicht kippelig, wenn man sich legt – der Oberkörper findet eben zuwenig Halt, solange er sich nicht an die Fliehkraft anlehnen kann. Eigentlich logisch – oder ?
Hat man diesen Bogen erst mal raus, dann kracht es auf der GS und zwar gewaltig. Mit unerhörter Präzision flitzt das Moped, daß sich beim Fahren im Vergleich zur K federleicht anfühlt, um die Ecken und durch die Winkel – über das, was es überfährt, braucht man sich kaum noch Gedanken zu machen. Selbst ein Bitumenlängsstreifen auf triefnasser Fahrbahn, den ich zu Testzwecken todesmutig – wenn auch nur mit ca. 60 kmh - in leichter Schräglage (des Mopeds) überfahren habe, hatte gegen dieses Fahrwerk, das mir übrigens auf gut eingerittenen Michelin Anaké serviert wurde, keine Chance ! Nur vor Rollsplitt in der Kurve habe ich gekniffen, aber wenn mir jemand erzählen würde, daß eine 12er GS selbst Rollsplitt nichts ausmacht – ich würde es ihm glauben. Auf einer meiner Hausstrecken (für Eingeweihte: Von Schmalkalden über Christes nach Schwarza), die auf einer engen Buckelpiste in Schlangenlinien durch den Wald führt, bin ich mit dieser Fahrmaschine im strömenden Regen schneller unterwegs gewesen, als mit der K 1100 RS im Trockenen ! Schließlich war auch der Motor (und das Getriebe) warmgelaufen, ich hatte mich an die Bedienung gewöhnt, und auch an das Kajak-Ruder mit Gas und Kupplung – war mutiger geworden. Jetzt verstehe ich, warum die GS als der Angstgegner im engen Geläuf zählt, die Referenz in den meisten Testberichten ist. Auch in weiteren Bögen dürfte diese Kurvenperformance nur noch durch wenige zu toppen sein. Selbst ein eher unterdurchschnittlicher Fahrer wie Kroni verwandelt sich in einen wahren Kurventeufel auf diesem Bock ! Damit wurde es auch erklärlich, daß die Verbrauchsanzeige im Mäusekino, die ich genullt hatte, von rund 5 l zu Beginn der Fahrt auf 5,4 l am Ende der Fahrt hochgeklettert ist. Dementsprechend waren auch die Bremsen gegen Tourende öfters in Gebrauch – des Regens wegen habe ich es mir verkniffen, in Kurven stärker zu Bremsen oder das ABS bis in den Regelbereich zwingen zu wollen, giftiger als die der K 1100 RS sind sie jedenfalls. Da die Erstzulassung meiner Leih-GS vom März 2007 stammt, ist mir jedenfalls dieser unsägliche Bremskraftverstärker erspart geblieben.
Und was gibt es sonst noch ?
Die 12er GS ist ein vor dem Fahrer versammeltes Moped. Unter ihm befindet sich nur noch das Getriebeausgangsgelenk des Kardans, neben dem bei der Fahrt die Fußknöchel ruhen, dahinter kommt nur noch der Hilfsrahmen für die Sitzbank und die Schwinge – eine luftige Angelegenheit, die wenig seitlichen Windwiderstand bietet, weswegen die GS ein hervorragendes „Sturmmotorrad“ ist, wie schon erwähnt. Leitungen und Anschlüsse liegen offen, alles macht einen soliden, transparenten und wartungsfreundlichen Eindruck. Bis in Kleinigkeiten wirkt alles ansprechend verarbeitet und arrangiert. Nichts hat man einfach so dahin gemacht oder improvisiert, alles sieht wohldurchdacht aus und passt zueinander. Ein Motorrad aus einem Guß. Man kann es durchaus geniessen, ein Kippchen unterwegs zu schmauchen, und diesem schönen Stück Fahrzeugbau seine ästhetische Referenz zu erweisen, die sich aber wirklich erst auf 2 Schritt Distanz erschließt. Von weiter weg wirkt das Ganze doch ziemlich plump – aber schließlich wollten wir ja ein Motorrad Probefahren, und keine Wohnzimmerdekoration testen. Von den – vom Freundlichen vorsichtshalber als Sturzschadenminimierungsmaßnahme montierten – Koffern kann ich nur äusserlich berichten, daß sie eine schön ebene Oberfläche haben – ideal für weitere Beladungen.
Und wenn ich gefragt werde: Un' ? - Habenwollen ?
Ja und nein. „Ja!“ sagt zu mir das Faszinosum dieser Fahrmaschine, die dem mittelmässigen Kroni noch mehr Gelegenheiten gibt, die Pistensau zu spielen – und „Nein!“ sagt genau deswegen auch mein Verstand. „Nein!“ sagt der auch zur elektronischen Überfrachtung des Geräts. Und wenn solche Elektronik in die Jahre kommt, da kann einem was Blühen – fragt nur mal den Besitzer eines 10 Jahre alten 7er-BMWs danach ! „Ja!“ sagt der gute Wind- und Wetterschutz – ein gutes Wintermoped wäre die 12er GS in jedem Falle. „Nein!“ sagt der für meinen verwöhnten Ziegelstein-Geschmack doch etwas ruppige Motor, und „Nein, Nein, Nein – niemals nicht!“ brüllt auch der Anschaffungspreis, der sich für einen Appetitthappen wie den Gast in meiner Garage auf locker 15.000 (Nichtziegel-)steine aufaddiert.
Gruß
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