Alle Räder stehen still

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    • Alle Räder stehen still

      In der DDR war die Motorradschmiede MZ legendär. Seit der Wende kämpfte das Unternehmen mit Investoren aus Asien, Managern aus dem Westen - und immer wieder ums Überleben. MZ hat den Kampf verloren.

      Am letzten Mittwoch im Juli hätte Andre Hunger sich am liebsten in Luft aufgelöst. Stattdessen hat er jedem seiner Mitarbeiter einen Brief in die Hand gedrückt. "Aufgrund der Betriebsstilllegung gekündigt", stand darin. Hunger hat die Zeilen selbst verfasst und auch einen Umschlag auf den eigenen Schreibtisch gelegt. "Scheißgefühl", sagt er nur. Der Personalchef ist ein wortkarger Mann, groß, stämmig, mit lichtem Haar und ernstem Blick.

      Noch am Freitag vorher hatte er ein Sommerfest organisiert, als Dankeschön für die Belegschaft. "Da haben wir mal wieder richtig was ausgegeben", sagt Hunger. Richtig was ausgeben, das heißt in Zschopau 400 Euro für Würstchen, Bier und Cola.

      Das große Fenster im Besprechungszimmer eröffnet den Blick auf eine ländliche Idylle. Grillen zirpen im halbhohen Gras des Werksgeländes, ab und an knattern zwei Flaggen mit dem quietschgrünen MZ-Logo im Wind. Sonst ist es still auf den Hügeln um Zschopau. Sehr still.

      Arbeit an einem Motorradmodell im MZ-Werk in Zschopau"Damals war hier richtig was los", sagt Hunger. Das Wort damals fällt oft in der kleinen Stadt im Erzgebirge. Damals, das heißt vor der Wende. Damals, als bei MZ jeden Morgen mehr als 3000 Arbeiter wie Ameisen zum Schichtbeginn strömten. Damals, als die Buchstaben MZ in keinem Zschopauer Lebenslauf fehlten. In guten Jahren liefen bis zu 100.000 Motorräder vom Band - ähnliche Stückzahlen schafft unter den deutschen Herstellern heute nur noch BMW.

      Jetzt steht das sächsische Motor- und Zweiradwerk vor dem Aus. Seit der Wiedervereinigung hatte das Unternehmen bereits zweimal Konkurs angemeldet. Das erste Mal retteten staatliche Fördergelder den einstigen DDR-Vorzeigebetrieb. 1996, beim zweiten Mal, sorgte die malaysische Investorengruppe Hong Leong für frisches Geld. Doch alle Versuche, das Traditionsunternehmen wieder auf Erfolgskurs zu bringen, scheiterten. 1500 Motorräder hat MZ im letzten Jahr verkauft. Umsatz: 4,8 Mio. Euro. Der Weltmarktführer Honda setzte mit seiner Motorradsparte fast 10 Mrd. Euro um. Ende des Jahres will Hong Leong den einst größten Motorradhersteller der Welt schließen.

      Andre Hunger hat sich noch nicht nach einem neuen Job umgesehen. "Ich gehöre zu der Generation, die die Dinge noch zu Ende bringt", sagt er. 30 seiner 47 Lebensjahre hat Hunger bei MZ verbracht. Für ihn sind die Dinge hier noch nicht zu Ende. Er hofft. Hofft, dass jemand kommt und den Betrieb kauft. Jemand mit Geld.

      Mio. Euro verlangen die Malaysier für die Motorradschmiede. Oder besser für das, was davon noch übrig ist. Die 40-köpfige Entwicklungsabteilung, einst das Herzstück von MZ, wurde vor zwei Jahren aufgelöst. Geblieben sind 38 Angestellte, eine riesige Fabrikhalle und acht Hektar Land. Fast täglich flanieren Interessenten über das Gelände. Kaufen wollte bislang niemand. "10 Mio. Euro muss man hier mindestens reinstecken", sagt Hunger. Um eines Tages wieder zu den Großen der Branche zu zählen, sei allerdings das Zehnfache nötig.

      Andre Hunger: "Ich gehöre zu der Generation, die die Dinge noch zu Ende bringt"Hunger schlurft hinunter in die Werkshallen, vorbei an leer stehenden Spinden. Hier direkt unter seinem Büro wiegen, zählen und sortieren Männer in grünen Latzhosen die Reste von über 100 Jahren Motorradbau. Schrauben, Bolzen, Manschetten, Muttern. Eine Kiste Sicherungsscheiben prasselt in die Waagschale: 4,326 Kilo, macht 4326 Stück. Eintragen, zurückschütten, nächste Kiste, nächstes Regal. "Wenn, dann verlassen wir das hier ordentlich", murmelt Hunger.

      Die schalldichte Eisentür zu Raum 12 wird inzwischen nur noch für Besucher aufgesperrt. Früher testeten die Ingenieure hier jede Komponente auf ihre Haltbarkeit, stunden-, manchmal tagelang. Jetzt stehen die massigen beige-gelb lackierten Maschinen still, daneben liegt ein Paar Ohrenschützer, auf dem Schreibtisch ein aufgeschlagenes Notizbuch: Prüfung Gabelbrücke, 6 Uhr Versuch Ende. Das Datum: 8. 11. 2006. Szenen eines Industriemuseums. Als müsste man nur 50 Cent einwerfen, damit hier wieder Kolben rattern, Werkzeuge klirren und Motoren surren.

      Hong Leong jedenfalls schickt kein Geld mehr nach Zschopau. Nur noch Sanierer. 70 Mio. Euro Verlust habe das Motorradwerk den Investoren insgesamt gebracht, sagt Steve Yap, der Geschäftsführer. Jetzt sei Schluss. Vor zwei Jahren ist der Malaysier in das Chefbüro mit den Panoramafenstern eingezogen. Was der glatzköpfige Manager über Motorräder weiß, hat er im Internet recherchiert. Die Motorradposter an den Wänden, die Bücher in den Regalen, all das stammt von seinen Vorgängern.

      Yap hatte nie vor, bei MZ heimisch zu werden. Er sei eine Art Soldat, sagt er. Seine Order: bei MZ aufräumen. Seine Befehlshaber: die Aktionäre von Hong Leong. "Wir müssen Geld verdienen. Da darf man nicht sentimental werden."

      Auf dem Dach des sächsischen MZ-Werks thront eine MZ 1000 - ausgerechnet eines jener Modelle, das dem Unternehmen das endgültige Aus beschertDabei hatten die Zschopauer ganz auf Malaysia gesetzt. Langfristig klang der Deal plausibel: Eine günstig in Asien hergestellte 125-Kubik-Maschine sollte den dortigen Markt erobern. Mit dem Gewinn wollte MZ in Deutschland eine eigene Produktpalette entwickeln. Hochwertige Maschinen mit bis zu 1000 Kubikzentimetern. Regelmäßig flogen Ingenieure von Zschopau nach Kuala Lumpur, um das nötige Know-how zu vermitteln. "Aber die haben dort ja alles besser gewusst", brummt Hunger. Wenige Tage nach dem Verkaufsstart in Asien brachen die ersten Maschinen zusammen. Kurbelwelle kaputt. "Da ist die Marke tot!", sagt Hunger.

      Seit MZ nicht mehr Volkseigentum ist, sind schon einige mit Ideen, Strategien und Konzepten nach Zschopau gekommen. Geschäftsführer und ihre Stellvertreter, Werber, Berater. Einer blieb länger: Petr-Karel Korous. Mehr als zehn Jahre hat der ehemalige Nixdorf-Manager das Unternehmen geführt. Korous wollte nichts mehr hören von Ostalgie und Zweitaktmotoren. Auch nichts von den im Erzgebirge so beliebten Enduro- und Motocross-Wettbewerben.

      Er hatte etwas Schnelleres, Schickeres geplant. Motorradrennen statt Schlammschlachten. Beim Grand Prix, der Formel 1 für Motorräder, wollte Korous der Welt zeigen, dass MZ mehr kann, als an Honecker-Harleys zu basteln. Mit dem prestigeträchtigen Rennen sollte das neue Glanzstück aus Sachsen, die MZ 1000, beworben werden. Doch die großen Siege blieben aus. Nach zwei Jahren drehte Hong Leong den Millionenhahn zu. "Hätte Korous das Geld in den Geländesport gesteckt, stünden wir jetzt vielleicht besser da", formuliert Hunger vorsichtig. "Na ja, er war halt ein Wessi."

      Für Korous hingegen ist klar: Während er Großes entwarf, eine vollständige Produktpalette aufbauen wollte und auf ausgefeiltes Marketing setzte, schielte Hong Leong nur auf die Quartalszahlen. "Die haben nie langfristig gedacht, sondern immer nach der Hälfte aufgegeben", sagt er. 2004 gab er auf. Hong Leong habe die Komplexität des Unternehmens völlig unterschätzt.

      Mitarbeiter des MZ-Werkes in Zschopau: Auffanggesellschaft, Weiterbildung, UmschulungSo oder so ist es Korous, der jetzt bei vielen als Sündenbock gilt. Als einer der schön redete und dicke Zigarren rauchte, aber nichts von Motorrädern verstand. "Der hatte fast nur Autozeitschriften auf dem Klo liegen. Das sagt doch schon alles", sagt ein Mitarbeiter. Die Zschopauer haben es Korous übel genommen, dass er dem Geländesport keine Chance geben wollte.

      Bis zur Wende hatte Zschopau in dieser Disziplin jahrzehntelang die Motorräder samt Weltmeister geliefert. Heute werden die Triumphe von einst im Stadtmuseum konserviert. "Den Leuten hier ist MZ inzwischen total egal", sagt der Wirt vom Gasthof nebenan. Der einzige Gast am Tresen brabbelt Zustimmung in sein Pils. Man habe andere Sorgen. "Aber damals", sagt der Wirt und verschränkt die Arme vor der Brust, sei er auch MZ gefahren. "Es gab ja nichts anderes."

      Dass darin das einstige Erfolgsgeheimnis von MZ stecken könnte, wird in Zschopau ungern zugegeben. Dass die MZ ihren Weg zu den Menschen gefunden hat, weil sie verfügbar war, während man auf den Trabi lange warten musste. Weil man Westmaschinen ohnehin nicht kaufen, aber die "Emme" mit Klebstoff reparieren konnte. Weil das Ding nicht schön, aber zweckmäßig war und vor allem: billig.

      Die MZ 1000, das neue Flaggschiff der sächsischen Motorradschmiede, dagegen ist groß, über 200 Kilo schwer, voll hochsensibler Technik und vor allem: teuer. Fast 10.000 Euro muss man für die Tausender hinlegen, für das Pendant aus Japan nur gut die Hälfte. SF prangt auf dem Heck des jüngsten Modells. SF für Superfighter. Frühere Verkaufsschlager aus dem Erzgebirge trugen das Kürzel ETZ - Einheitstyp Zschopau. An den neuen Maschinen erinnert nichts mehr an Sozialismus und Volkssolidarität. Sie gewinnen Designpreise und schneiden in Tests mit Bestnoten ab. Nur kaufen will sie keiner. Knapp 70 Stück wurden dieses Jahr in Deutschland zugelassen, bei ähnlichen Kalibern von Suzuki sind es fast 3000. "Die 1000er war ein Sargnagel für MZ", sagt der zuständige IG-Metall-Sekretär Hein Volkmar. Und: "Ich bereite schon alles vor." Auffanggesellschaft, Weiterbildung, Umschulung. Das ganze Programm. Die Maschine sei einfach eine Nummer zu groß für die Sachsen gewesen, genau wie der Grand Prix.

      Die MZ 1000 hätte trotzdem ein Knaller werden können, glaubt Andre Hunger. Wenn die erste Maschine nicht fast zwei Jahre später als angekündigt in die Läden gekommen wäre. Wenn die Sache mit dem Grand Prix geklappt hätte. Wenn die Presse sich nicht über das Vibrieren des Motors beschwert hätte. Wenn die Leute für Qualität noch bezahlen würden. Und wenn Hong Leong bei dem Projekt einen längeren Atem gehabt hätte. Wenn.

      Noch stehen zwölf 1000er-Maschinen mit aufgerissener Frontverschalung und gelben Kontrollscheinen in den Werkshallen. Brav in einer Reihe. Nachschub wird nicht mehr bestellt. Man warte auf eine spezielle Reflektorbeschichtung aus Italien, sagt Hunger ernst. Er hat die Fäuste tief in den Hosentaschen versenkt. Sicher, das Motorrad habe nicht zur MZ-Geschichte gepasst. "Aber um die 1000er sind wir nicht herumgekommen", sagt Hunger. Der Markt hätte es so gewollt. Inzwischen kaufen Sammler die ersten Exemplare. Die MZ 1000 ist ein Liebhaberstück geworden, das schon.

      Quelle: ftd.de
    • Viele Leute wie auch ich sind zwar der Meinung dass so eine 1000er MZ nicht schlecht ist, nur kaufen tut sie keiner, oder wer fährt hier im Forum eine. Man muß halt auch sagen, man stelle sich mal vor BMW hat einen Boxer-Motor und baut nur den unverkleideten Roadster und als Tourensportler die 1100/1150 RS, 1200ST und die erfolgreichste im Bunde die GS würde es nicht geben. Genau so ein Mopped hat MZ gefehlt, sei es als eine art Yamaha TDM (Motorprinzip ist das gleiche), als auch eine halbwegs Geländetaugliche Reiseenduro. Schlecht hat die 1000er im 50t Km Langstreckentest bei Motorrad nicht abgeschnitten. Mit meiner Marke sieht es ja auch nicht viel besser aus (Cagiva), wurden gerade von Harley aufgekauft, hoffentlich bekommen die wenigstens noch die Kurve.

      MfG Nüssi
    • RE: Alle Räder stehen still

      Original von klaus
      Die MZ 1000, das neue Flaggschiff der sächsischen Motorradschmiede, dagegen ist groß, über 200 Kilo schwer, voll hochsensibler Technik und vor allem: teuer. Fast 10.000 Euro muss man für die Tausender hinlegen, für das Pendant aus Japan nur gut die Hälfte.


      Aha....die hälfte.... :gruebel:
      Daraus lese ich, das alle anderen am Untergang schuld waren, bloß nicht
      die Vorstandschaft.

      Ich selbst war schon mal drauf und drann mir eine 1000 SF zu kaufen. (auch schon probegefahren)
      Was mich aber davon abgehalten hat, ist das so gut wie keine Modellpflege
      betrieben wurde.
      Hätte MZ sich mit dem "Exotenstatus" zufrieden gegeben und genügend Kundenservice betrieben (wie zb Moto Morini) hätte
      das die Kundschaft auch honoriert.
      Das Ergeniss sieht man leider oben.
      Die 1000er waren (sind) gute Motorräder.

      Schade... :nixweiss:
      Gruß Duc

      Früher war Sex sicher und Motorsport lebensgefährlich.
      Heute ist es umgekehrt....

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von Duc ()

    • RE: Alle Räder stehen still

      Original von duc
      Original von klaus
      Die MZ 1000, das neue Flaggschiff der sächsischen Motorradschmiede, dagegen ist groß, über 200 Kilo schwer, voll hochsensibler Technik und vor allem: teuer. Fast 10.000 Euro muss man für die Tausender hinlegen, für das Pendant aus Japan nur gut die Hälfte.


      Aha....die hälfte.... :gruebel:
      Daraus lese ich, das alle anderen am Untergang schuld waren, bloß nicht
      die Vorstandschaft.

      Ich selbst war schon mal drauf und drann mir eine 1000 SF zu kaufen. (auch schon probegefahren)
      Was mich aber davon abgehalten hat, ist das so gut wie keine Modellpflege
      betrieben wurde.
      Hätte MZ sich mit dem "Exotenstatus" zufrieden gegeben und genügend Kundenservice betrieben (wie zb Moto Morini) hätte
      das die Kundschaft auch honoriert.
      Das Ergeniss sieht man leider oben.
      Die 1000er waren (sind) gute Motorräder.

      Schade... :nixweiss:



      Für 5000 Euronen nen 1000er Japaner ??? HER DAMIT !! Was soll das für ein Mopped sein ?? Die 1000er Japaner, die ich kenne, kosten alle so um die 10.000 Euros... oder net ?? :gruebel:
      -------Ich bin der, vor dem mich meine Eltern immer gewarnt haben-------